Zwei Generationen konkret.
Max H. Mahlmann und Peter Weber
Ausstellung in der Galerie Renate Bender, München
19. April bis 15. Juni 2024
Vernissage: Freitag, 19. April 2024, 18 bis 20 Uhr
Matinee: Samstag, 20. April 2014, 12 bis 16 Uhr
„Wenn Sie so weitermachen wollen, dann müssen Sie zu Mahlmann gehen!“ Das war die Empfehlung der Dozentin an der Fachhochschule in Hamburg, die Peter Weber seit 1969 im Fachbereich Gestaltung besuchte. Zweifelsohne war dies wegweisend für den jungen Künstler, der wohlwollend im Kreis von Max H. Mahlmann aufgenommen wurde. Bei Mahlmann war man nicht einfach nur „Zuhörer“, sondern gehörte zum „inner circle“ des vielfach begabten Malers und Lehrmeisters. Mahlmann war kein „Vorbeter“, er ließ seine Studenten gewähren und gab ihnen feinfühlig Hinweise mit auf den künstlerischen Weg. Die Freundschaft zwischen dem „Jungen“ und dem „Alten“ sollte bis zu dessen Lebensende währen. Und so lag es nur auf der Hand, dass bei unserem ersten Projekt zum Thema „Zwei Generationen konkret“ Max H. Mahlmann und Peter Weber diesen neuen Ausstellungsschwerpunkt der Galerie eröffnen werden.
Auch der nie unterbrochene Kontakt Peter Webers zu Mahlmanns Nachkommen, allen voran Tochter Maria Mahlmann, ermöglichte uns aus einem wunderbaren Fundus von Arbeiten des Hamburger konkreten Künstlers zu schöpfen und eine kleine aber feine Ausstellung zusammenzustellen. Maria Mahlmann sei dafür Dank gesagt.
Renate Bender
Februar 2024
Peter Weber, Max H. Mahlmann und Gudrun Piper, 10. März 1976
„das geistige ziel der geometrischen gestaltung entspricht unserem technologischen zeitalter. in dieser erfahrung erkennt der mensch eine neue humanität“
Max. H. Mahlmann
„Die Idee zu den Faltzuständen gewann immer mehr an Wichtigkeit bei allen Faltexperimenten und der Entdeckung der unterschiedlichsten Materialien (…) Beim Arbeitsprozess des Faltens ergeben sich architektonische Gebilde… diese „Zustände“, die sich etwa in der Mitte des Faltprozesses befinden, habe ich bis 2017 nie gezeigt“.
Peter Weber
Max H. Mahlmann wurde 1912 in Hamburg geboren und starb 2000 in Wedel.
In seinen Werken strebte Max Hermann Mahlmann, der an der Akademie der bildenden Künste in Dresden studiert hatte, nach Klarheit und Nachvollziehbarkeit. Er wandte sich 1949 zunächst dem Konstruktivismus zu und schuf dann 10 Jahre später die ersten weißen Reliefs.
In den 1960er Jahren entwickelte er ein methodisches Gerüst für seine geometrisierende Gestaltungsweise, welche in sogenannten „Superstrukturen“ aus Grundnetzen gipfelte.
1968 entwickelte er Ideen für eine programmierte Gestaltung, die er als Weiterentwicklung des Konstruktivismus verstand. Ab 1970 entstanden Netzstrukturen, die stetig fortentwickelt wurden. Ausgangspunkt sind Grundnetze, die von einem zentralen oder dezentralen Koordinatennetz gesteuert werden. Es entstehen Linien, Flächen, dreidimensionale Formen und „die farbe wird aus ihrer gesetzmäßigkeit zugeordnet“ (MHM). Ästhetische Freiheit durch Variation, Auflösung und Verdichtung – und stets ist alles nachvollziehbar, nicht zuletzt durch den Titel, der z.B. die Abstände der Linien des Grundnetzes angeben kann. In ihrer Reduktion sind es poetische Bilder. Die Netzzeichnungen vibrieren an den Stellen, wo sich alles verdichtet, und gehen in Ruhezonen über, wenn die Linien weniger dicht gesetzt sind. Max H. Mahlmann schuf sich ein klares System mit nachvollziehbaren Regeln, welche dennoch unvorhergesehene Ergebnisse hervorbrachten und im Spätwerk immer reduzierter wurden.
Max H. Mahlmann steppte virtuos, spielte souverän eine Art Obertonflöte, ohne es gelernt zu haben und war ein charmanter und mitreißender Gesprächspartner. Er beeindruckte und inspirierte nicht nur seine Studenten an der Werkkunstschule Hamburg, wo er fast 20 Jahre lehrte, sondern auch zahlreiche weitere Künstlerinnen und Künstler, die ihm teils lebenslang in Freundschaft verbunden blieben. Max H. Mahlmann erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter 1995 das Bundesverdienstkreuz am Bande.
Peter Weber wurde 1944 in Kollmar/Elbe geboren. Er lebt und arbeitet bei München.
Der Weg von der Malerei der frühen 70er Jahre hin zu den aktuellen Faltzuständen ist geprägt von einem unermüdlichen Forschen und Kämpfen mit mathematisch-geometrischen Vorgaben, einer daraus resultierenden, strengen Formsprache und der Fähigkeit diese geistigen Vorgaben mit seinem „Handverstand“, wie es Eugen Gomringer einmal nannte, zu komplexen Werkgruppen umzusetzen.
Bilder aus der Gruppe der „Interferenzstufungen“ von 1976/77 sollen beispielhaft zeigen, wie Peter Weber zwar die von Mahlmann genial eingesetzten Netzstrukturen erinnert, aber sie von Anfang an zu einem völlig anderen geometrischen System weiterentwickelte.
Die komplexen Faltungen und Faltzustände, die Peter Weber in der Folge für sich entdeckte und entwickelte, sind, wie so oft im künstlerischen Schaffen, einem Zufall geschuldet. Nun selbst als Tutor an der Fachhochschule in Hamburg unterrichtend, entwickelte er mit seinen Studenten eine Faltkarte als Einladung zu einer Gruppenausstellung. Die mit viel Begeisterung aufgenommene Karte veranlasste ihn sich mehr mit den Faltsystemen auseinanderzusetzen. Es entstanden erste Faltungen in Leinwand, die jeweils in zwei Zuständen der Vorder- und Rückseite präsentiert wurden: gefaltet und geöffnet. Faltbares Material wurde zum Thema und führte schlussendlich dazu, dass Peter Weber sich ausschließlich der Faltung widmete. Papiere und Leinwand blieben lange sein Hauptwerkstoff, gefolgt vom durchscheinenden HDPE, einem hochverdichteten Polyethylen.
Papiere zählten immer zu seinem Hauptwerkstoff und so entdeckte er für sich einen 640g Aquarellkarton, der auch beim Falten stabil bleibt und es ihm ermöglicht die Faltzustände sozusagen als Reliefs in ihrer Position bestehen zu lassen. Architektonisch anmutende Objekte entstanden, die künstlerische Gestaltung in Präzision und Eleganz in unnachahmlicher Weise verbinden.
Und als ob dies nicht schon genug wäre, kam Peter Weber zurück zum Stahl bzw. Edelstahl, den er schon in den frühen 90er Jahren bei einigen Plastiken für den Außenbereich eingesetzt hatte, aber aufgrund des „nicht-faltbaren Materials“ diese immer mit dem Laser schneiden und wieder zusammenschweißen musste.
Die Idee des „Faltzustands“ ermöglichte es ihm nun die Stahlplatte nach detaillierten Faltzeichnungen in einem Fachbetrieb lasern zu lassen. Stege, die im Metall stehen blieben, erlaubten es ihm diese flachen Platten tatsächlich mit einer simultan zu erfolgenden Falttechnik mit viel Körperkraft und Geschick zu falten bzw. zu kanten.
Eine konkrete Idee konsequent durchdacht und über 50 Jahre weiterentwickelt und umgesetzt.
Max H. Mahlmann hätte seine Freude daran!